Hochtourenkurs Gipfelbild | © Matthias Hill

Gletscherausbildung Braunschweiger Hütte (19. - 22.06.2025)

Am 08.06. erhielt ich die Nachricht von Matthias, dass ich von der Warteliste nachrücken kann und hab mich sehr darüber gefreut. Mit 16 Jahren hatte ich bereits an einer Eisausbildung im Kaunertal teilgenommen, ich erinnere mich noch, wie ich damals mit Pickeln aus der Gletscherspalte geklettert bin und wir bei Regen in einem Kiesstadel übernachtet haben. Jetzt wollte ich es noch einmal versuchen.

Da es alles etwas kurzfristig war, hatte ich nicht viel Zeit für die Vorbereitung. Es blieben 6 Tage für die Vorbereitung. Das Material, dass mir noch fehlte, konnte ich bei Freunden und im DAV-Vereinsheim noch ausleihen. Für die Fitness ging's am Wochenende vorher noch einmal auf den Säuling.

Am Donnerstag um 6:30 Uhr ging es los nach Oberjoch, wo mich Michael und Marina einsammelten. Die anderen kannten sich bereits vom Vortreffen, bei dem die nötige Ausrüstung und die Knoten besprochen worden waren. Alle waren überpünktlich, so dass wir bereits 15 min. eher starten konnten und uns auf den Weg Richtung Materialseilbahn machten, dort wollten wir den Großteil unseres Gepäcks abgeben und anschließend mit einem Tagesrucksack nach oben laufen.

Kurz vor der Materialseilbahn bemerkte ich, wie sich das Gehen seltsam anfühlte, die Sohle meines rechten Schuhs begann sich zu lösen. Mit Tape versuchten wir das Problem zu beheben, doch es war zu spät. Bis ich an der Materialseilbahn ankam, hatte sich die komplette Sohle gelöst. 4 Tage Gletscherausbildung ohne die richtigen Schuhe, wie sollte das gehen? Heimfahren, war keine Option, da mein Auto ja in Oberjoch stand. Da Feiertag war, gab es auch keine Möglichkeit umzudrehen, um zum nächsten Sportgeschäft zu fahren.

„Du kannst dir ja 4 schöne Tage auf der Hütte machen.“; „Hast du die Schuhe vorher imprägniert? Das Mittel greift den Kleber an.“; „ Wir könnten an der Hütte anrufen, ob sie ein paar Ersatzschuhe haben.“. Fast jeder aus der Gruppe kannte mein Problem, jemand war dasselbe sogar mit neu gekauften Schuhen schon einmal passiert.

Das Handynetz war kaum vorhanden, dennoch konnten wir die Hüttenwirtin erreichen, Ersatzschuhe habe sie nicht, aber einen Kontakt, der uns Schuhe verkaufen könne. Sie gab uns die Nummer. Leider konnten wir niemanden erreichen. Wir beschlossen die schweren Rucksäcke mit der Materialseilbahn nach oben zu schicken und es auf dem Weg noch einmal zu versuchen, für den Weg nach oben hatte ich glücklicherweise noch meine Zustiegsschuhe dabei.

Bei bestem Wetter ging es am Wasserfall und einigen Hochlandrindern hinauf zur Braunschweiger Hütte. Unterwegs versuchte ich unzählige Male die Nummer zu erreichen und beschrieb in einer SMS mein Problem. Schließlich gelang ein kurzes Telefonat. Er habe Hochtourenschuhe, wir vereinbarten, dass er mir 2 Größen mit der Materialseilbahn auf die Hütte schicken wird.

Auf der Hütte angekommen, gab's erst einmal eine zünftige Mittagspause, während dem Mittagessen kamen auch schon die Schuhe an und die Schuhprobe stand an. Ich freute mich sehr, dass ich nun doch noch am Kurs teilnehmen konnte. Nach der Pause ging es dann endlich los mit der Eisausbildung.

Wir liefen in Richtung Schneefeld und bauten uns dort eine „Rutschbahn“. Wir übten, was zu tun ist, wenn man fällt und ins Rutschen kommt. Matthias und Vincent zeigten uns, wie man am schnellsten wieder abbremsen kann.

Wir begannen mit den Füßen voraus, auf dem Bauch liegend und dann durch die Liegestützposition schnell abbremsen zu können. Ein bisschen schwieriger wurde es dann auf dem Rücken liegend, da wir uns jetzt auf den Bauch drehen mussten, um in die Liegestützposition zu kommen.

Schließlich ging es ans eingemachte und wir rutschten auf dem Bauch mit dem Kopf voraus, Vincent und ein weiteres Gruppenmitglied hielten uns an den Füßen fest, bis wir bereit für die Rutschbahn waren und uns dann wieder mit dem Kopf nach oben drehen mussten, um in die Liegestützposition zu kommen. Es folgte die Königsdisziplin: auf dem Rücken, Kopf voraus. An den Füßen festgehalten, ging es los auf die Rutschbahn, dass kostete schon etwas Überwindung. Ein paar mutige versuchten sich dann noch an der Spezialdisziplin, bei der man durch einen Salto ins Stehen kommt, gekonnt demonstrierte Vincent die Übung.

In der Übung war natürlich alles nicht so steil, wie es sein könnte und ohne Steigeisen und Rucksack auch ein bisschen einfacher und weniger riskant als es sein könnte. Für uns war es eine lustige Schneerutschbahn, für den Ernstfall eine essentielle Übung.

Schließlich ging es etwas feucht zurück zur Hütte, an der sich ein paar von uns im Kurzduschen versuchten, und der ein oder andere den 50 sek. Rekord knackte.

Nach einem reichlichen Abendessen überfiel den ein oder anderen die Müdigkeit, doch wir wollten noch ein paar Knoten für den nächsten Tag üben, die die anderen bereits aus dem Vortreffen kannten. Schmetterlingsknoten, Prusik, Ankerstich, Mastwurf, Achter gelegt und gesteckt und ab ging's in Matratzenlager.

Am nächsten Tag, nach einem reichlichen Frühstück, wanderten wir zum Eisfeld.

Wir liefen über verblocktes Gelände, möglichst auf den großen Steinen und möglichst leise, also ohne, dass Steine ins Wackeln oder ins Rutschen kamen. Dort übten dort wir mit den Steigeisen zu gehen, vorwärts, rückwärts, seitwärts. Wie eine Horde Yetis liefen wir breitbeinig und die Knie leicht gebeugt über die Eisfläche.

Anschließend durften wir noch unsere Pickel vergraben, denn richtig vergraben, kann so ein Pickel als T-Anker eine wichtige Sicherung sein. Ca. 40 cm tief musste das Loch für ihn sein und im Anschluss festgetreten werden.

Später versenkten wir unsere Eisschrauben, Im Anschluss übten wir, wie man über eine Seilsicherung eine schwierige Passage am Fixseil im Auf- und Abstieg überwinden kann und hängten uns gemeinsam zum Abschluss vor der Mittagspause in die Partyschlinge ein.

Nach einer Pause auf der Hütte übten wir das Anseilen in 3er und 4er Seilschaften und den Ablauf der Spaltenbergung in der jeweiligen Konstellation. Alle waren motiviert dabei, denn am nächsten Tag sollte es ans Eingemachte gehen und das ganze an einer Gletscherspalte geübt werden.

Tag 3: Nach dem Frühstück ging's zum Gletschermaul, das für uns als Spalte herhalten musste. Wir teilten uns in zwei Gruppen, die durch Vincent oder Matthias betreut wurden. 2 Große Felsbrocken dienten uns als zusätzliche Sicherung, die Pickel konnten wir nicht sehr tief vergraben, da bald die Eisschicht zum Vorschein kam. Die Zeit bis zum Auffirnen des Schnees nutzte Vincent mit einem Input über alpines Notfallmanagement.

In unserer fast reinen Damenmannschaft bot sich Michael mutig als erstes Opfer an und rutschte in die Spalte. Das Halten des Sturzes funktionierte gut, allein das Herausziehen mit eingeschnittenem Seil über die Kante war höllisch anstrengend, während es Michael gut ging und er einen wunderschönen Ausblick in die Gletscherhöhle genießen konnte, aber auch eine Dusche, durch den schmelzenden Schnee, der ihm auf den Kopf tropfte. Als ich als Opfer an der Reihe war, hatte ich leider die Hände am Seil, keine gute Idee, da diese beim Ablassen etwas gequetscht wurden. Nach einem Durchlauf begannen wir dann mit den Üben der Losen Rolle in 3er Seilschaften.

Die letzte Person setzte sich und baute sich mit den Füßen stampfend einen Stand, so dass die erste Person entlastet wurde. Die mittlere Person band sich dann wieder mit dem Prusikknoten ins Seil ein und begann einen T-Anker zu bauen. „Achtung bei der Übergabe, dass ist eine Schlüsselstelle!“ mahnte Vincent uns. Da der Schnee nicht sehr tief war, setzte sich die erste Person auf den T-Anker, um diesen zu stabilisieren. Die letzte Person band sich dann ebenfalls mit der Prusik ein und kam langsam nach vorn, versicherte sich, dass dem Opfer nichts passiert war. Dann ließ sie diesem die Seilrolle herunter, um den Flaschenzug zu bauen. Marina und ich waren schließlich superstolz, Michael zu zweit aus dem Gletschermaul gezogen zu haben. Vincent merkte noch an, dass wir beim Hochziehen mehr aufpassen und langsamer machen sollten, damit sich der Gestürzte nicht dabei verletzt.

Während wir als Retter der Meinung waren, sehr schnell zu handeln, um den Gestürzten zu retten, hingen wir als abgestürzte Opfer relativ lang im Gletschermaul und genossen den wunderschönen Blick in die Gletscherhöhle, sowie eine Dusche. Nach der spannenden, lebenswichtigen Übung ging es zurück zur Hütte. Am nächsten Tag stand unsere erste Hochtour auf den Linken Fernerkogel an.

Vincent und Matthias holten ihre Karten heraus und erklärten kurz deren Aufbau. Da wir eine neue und eine alte Karte dabei hatten, konnten wir auch sehen, wie schnell der Gletscher aufgrund des Klimawandels bereits zurückgegangen war. Jetzt sollten wir in Kleingruppen aufgeteilt die Tourenplanung für den Abschlusstag übernehmen. Abschließend besprachen wir unsere Planung in der großen Gruppe und Matthias schätzte ein, wie realistisch wir geplant hatten. Wir einigten uns schließlich auf eine Startzeit und trafen uns dann wieder zum Abendessen, dass wieder reichlich war.

4. Tag: Pünktlich zur vereinbarten Zeit trafen wir uns vor der Hütte und starteten in Richtung Linker Fernerkogel. Da die neuen Schuhe doch nicht gut passten und auf meinen Knöchel drückten, hatte ich mir aus einer Isomatte ein Polster + Blasenpflaster gebaut und eine Schmerztablette genommen, um dennoch an der Tour teilnehmen zu können. Am Anseilpunkt ging jeder noch einmal kurz Pinkeln und wir bildeten die Seilschaften. Eine 4er und zwei 3er Seilschaften. Matthias und Vincent achteten darauf, dass jeder von uns einmal vorauslaufen konnte. Dabei mussten wir einiges beachten, der Weg sollte nicht zu steil sein, Gletscherspalten möglichst umgangen werden und auch nicht zu nah an die Felsen gegangen werden, aufgrund des Steinschlags. Da jeder von uns einmal vorn sein sollte, mussten wir uns zudem auch noch drehen und dabei nicht parallel zu den Gletscherspalten stehen, ein echtes Koordinationsproblem. Aufgrund der reichlichen Zeitplanung erreichten wir trotz der Wechsel und des fachlichen Inputs unserer Guides rechtzeitig den Gipfel, von dem wir einen wunderbaren Ausblick zur Wildspitze genießen konnten.

Beim Rückweg merkten wir, dass wir mal wieder bestes Wetter und auch hohe Temperaturen hatten und der Schnee bereits sehr weich war. Anhand von braunen Stellen und Mulden konnten wir Gletscherspalten erahnen, die wir zu umgehen versuchten. Der ein oder andere sank schon mal etwas tiefer ein, konnte sich jedoch wieder selbst befreien. Im steinigen Gelände versuchten wir die schneereichsten Stellen auszuwählen, da auch hier die Gefahr des Einsinkens und Verletzungen aufgrund der Steine höher war. Schließlich trafen wir uns am Anseilpunkt wieder und kehrten zurück zur Hütte, an der wir uns ein Mittagessen gönnten, um gestärkt den Abstieg anzutreten.

Unser Gepäck konnten wir wieder mit der Materialseilbahn hinabschicken, so dass es leichten Fußes bergab ging. Ich konnte auf meine Zustiegsschuhe wechseln, so dass der weitere Abstieg auch für mich schmerzfrei erfolgen konnte. An der Materialseilbahn suchten wir uns noch ein paar Sitzplätze für eine Abschlussrunde, bei der wir uns bei den Trainern für den gelungenen Hochtourenkurs bedankten.